Souveräner Ritter- und
Hospitalorden vom Hl. Johannes zu
Jerusalem von Rhodos und von Malta

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Die ansprache des Grossmeisters an das Diplomatische Korps

Die ansprache des Grossmeisters an das Diplomatische Korps
11/01/2011

Der Großmeister des Malteserordens, Fra’ Matthew Festing, hat die Botschafter der 104 beim Orden akkreditierten Länder zum traditionellen Neujahrsempfang empfangen. Der Empfang hat in der Magistralvilla des Ordens in Rom stattgefunden.

Es folgt die ungekürzte Ansprache des Großmeisters.

Herr Doyen, Exzellenzen, meine Damen, meine Herren,

mein allerherzlichster Gruß an Sie, verehrte Mitglieder des beim Souveränen Malteserorden akkreditierten diplomatischen Korps, die Sie heute hier aus Anlass des traditionellen Glückwunschaustauschs zum Jahresbeginn zusammengekommen sind. Ich danke dem Doyen des diplomatischen Korps, S. Ex. Dem Botschafter Valladares Lanza, für seine freundlichen Worte. Besonders begrüßen möchte ich die Botschafter von Bolivien, den Philippinen, Kuba, Lettland, Libanon, Panama, Guatemala, Nicaragua, Georgien und Portugal, die zum ersten Mal an diesem Empfang teilnehmen, sowie den Botschafter des Fürstentums Monaco nach der kürzlich erfolgten Erweiterung unserer diplomatischen Missionen.

Das Jahr 2010 war durch vielerlei Verpflichtungen gekennzeichnet, durch Staatsbesuche, Auslandsreisen, Versammlungen sowie durch zahlreiche humanitäre Herausforderungen und durch die Weiterführung unserer medizinischen Programme und Hospitaldienste in über hundert Ländern auf allen Kontinenten. Unter den herausragenden Ereignissen seien folgende genannt:

(Beziehungen zum Hl. Stuhl)

Zu allererst möchte ich Sie in die besondere Freude einbeziehen, die die Ernennung von Erzbischof Paolo Sardi zum Kardinal durch Seine Heiligkeit Benedikt XVI. im Konsistorium vom 20. November 2010, verbunden mit der Bestätigung als Kardinal-Patron des Ordens, bei allen Ordensmitgliedern weltweit ausgelöst hat.

Wir danken Ihren Eminenzen, dem Kardinalstaatssekretär und dem Kardinalpräfekten für die Kongregation der Ostkirchen, dass sie einen Beobachter des Malteserordens zur außerordentlichen Versammlung der Bischofsynode für den Mittleren Osten eingeladen haben, die im Oktober in Rom stattgefunden hat.

Der interreligiöse Dialog ist ein Bereich der traditionell eng mit unserer Geschichte verbunden ist. Die Besuche des griechisch-melkitischen Patriarchen Gregor III. Laham von Antiochia, Alexandria und Jerusalem sowie des Metropoliten Hilarion, verantwortlicher Leiter der Abteilung für Auswertige Angelegenheiten des Patriarchats von Moskau, waren förderlich für fruchtbare Gespräche über Zusammenarbeit nicht nur gegen die zunehmende Säkularisierung Europas, sondern auch für den Schutz des menschlichen Lebens, von der Geburt bis zum Tod, und für das Zusammenwirken bei der Hilfe für Arme und Notleidende.

Für das Gebiet des interkulturellen Dialogs darf ich ein besonderes Projekt ansprechen, das wir kürzlich entwickelt haben und das sich „Caravan“ nennt. Es handelt sich um ein auf sieben Monate ausgelegtes Programm für Jugendliche zwischen 20 und 30 Jahren jeder Nationalität. Es ist im Libanon entwickelt worden und verbindet die Hilfe für behinderte Jugendliche mit einem Studiengang der Geschichte des Mittleren Ostens, der christlichen und islamischen Religion sowie einem Sprachkurs für die arabische Sprache. Es ist ein einzigartiger Versuch, durch den ein vertieftes Verständnis für die Not der Behinderten und eine offene Aufnahmebereitschaft für das multikulturelle Erbe der Region gefördert werden soll.

(Hospitaldienste und humanitäre Aktivitäten)

Genau morgen jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem die Welt mit der Nachricht eines verheerenden Erdbebens in Haiti erwacht ist, dessen Auswirkungen schrecklich waren. Unglaublich war die umfassende humanitäre Mobilisierung. Dank der sofortigen Reaktion unserer Botschaft in der Dominikanischen Republik zusammen mit den Mitgliedern unserer Assoziationen in den Vereinigten Staaten und in Kuba, denen sich die Assoziationen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und unser internationales Hilfskorps, Malteser International, anschlossen, konnte der Malteserorden 2 Stützpunkte errichten, von denen aus medizinische Hilfe geleistet wurde. In Leogane ist eine mobile Klinik eingerichtet worden, in der in den ersten zwei Wochen nach dem Beben über 2000 Patienten behandelt wurden. In Darbonne ist eine Ambulanzstation eingerichtet worden, die sich zum Zentrum für die Aktivitäten unserer mobilen Sanitätseinheiten in der Region entwickelte. Im Krankenhaus Sacré Coeur in Milot, im Norden des Landes, das seit 15 Jahren vom Orden unterstützt wird, sind in den ersten drei Wochen nach der Katastrophe 400 Menschen notoperiert worden. Unser Einsatz, der ursprünglich als medizinischer Nothilfeeinsatz konzipiert war, hat sich inzwischen zu einem Einsatz zur Förderung von Wiederaufbau entwickelt und ist im Moment mit einer vorbeugenden Aufklärungskampagne gegen die Ausbreitung der Cholera befasst.

Im vergangenen Juli haben starke Monsunregen ein Fünftel der Landfläche von Pakistan überschwemmt. Nach offiziellen Schätzungen sollen über 17 Millionen Menschen durch die von den Fluten zerstörten Lebensgrundlagen und Strukturen direkt betroffen sein. Der Orden leistet seit über 20 Jahren Entwicklungshilfe im Land. Unsere Ärzteteams, die besonders für die Behandlung der durch die Überschwemmungen verursachten Krankheiten ausgestattet sind, konnten rasch im Distrikt von Swat tätig werde, ebenso wie in Kohistan und Punjab. Die erste Not ist überstanden. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich jetzt auf die Wiederherstellung der Lebensbedingungen durch die Errichtung von gebirgstauglichen Notunterkünften, von Wasseraufbereitungsanlagen und durch Aufklärung auf dem Gebiet der Hygiene, um so der Ausbreitung von Krankheiten vorzubeugen.

Im vergangenen Jahr hatte ich Gelegenheit, offiziell den afrikanischen Kontinent zu besuchen, wo wir mit einem breiten Spektrum von medizinischen und humanitären Leistungen in 35 Ländern tätig sind. Ich hatte ein sehr interessantes Treffen mit S. Exz. dem Präsidenten und den Regierungsmitgliedern von Kenia. Hier sind wir mit Malteser International seit 2001 präsent mit Programmen zur Bekämpfung der Tuberkulose und der HIV-Infektion sowie mit der Ausbildung von einheimischem Hilfspersonal in acht Barackensiedlungen von Nairobi, in denen ca. 600.000 Menschen unter entsetzlichen medizinischen und hygienischen Bedingungen leben.

Zu einem offiziellen Besuch konnte ich auch in die Demokratische Republik des Kongo reisen. Hier unterhält der Orden, dank des starken Engagements unserer Botschaft in Kinshasa, zusammen mit den Organisationen des Ordens in Deutschland, Frankreich und Belgien und unserem internationalen Hilfskorps, Malteser International, ca. 350 medizinische Zentren. Über zweieinhalb Millionen Menschen haben so Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung mit Impfkampagnen und Therapien gegen Tuberkulose und HIV-Infektion. Im Osten des Kongo, in der von kriegerischen Auseinandersetzungen zerrissenen Provinz Süd-Kivu, haben wir im Verlauf der letzten sechs Jahre etwa 49.000 Frauen und Mädchen medizinisch und psychologisch betreut, unschuldige Opfer von Gewalt, Vergewaltigung und Verstümmelung. Um dabei zu helfen, dass künftig solche humanitären Desaster, Mord und Zerstörung möglichst vermieden werden, werden wir, wie wir es in solchen Fällen stets tun, hier langfristig engagiert bleiben.

Hier in Italien arbeitet unser in der Nähe des Flughafens Fiumicino gelegenes Krankenhaus, San Giovanni Battista, weiter an seiner lebenswichtigen Aufgabe, trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Insbesondere die allgemein anerkannte Aufwachstation ist eine der wenigen medizinischen Einrichtungen in Italien, die spezialisiert ist auf die therapeutische Behandlung von Patienten, die aus einem Koma erwachen. In Italien sind, einschließlich der bestehenden 12 Diabeteszentren, insgesamt 65.000 Patienten behandelt worden.

Unsere Zusammenarbeit mit dem Italienischen Küstenschutz hinsichtlich der Hilfe für die Bootsflüchtlinge entwickelt sich weiter gut: das 2007 unterzeichnete Abkommen ist um weitere drei Jahre verlängert worden. Mit der italienischen Zollbehörde ist außerdem ein Protokoll unterzeichnet worden, das die Wahrung der Menschenrechte bei ärztlichen Hilfseinsätzen zum Gegenstand hat. 300 Ärzte und freiwillige Helfer des italienischen Hilfskorps des Malteserordens arbeiten zusammen mit den Zollbehörden und dem Küstenschutz um erste Hilfe direkt auf den Booten und Flugzeugen leisten zu können.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass der Orden im Verlauf seiner Geschichte stets innovativ im Pflegebereich gehandelt hat. So sind von unseren Zentren in Deutschland neue Behandlungsmethoden für Demenzkranke entwickelt worden. Nicht zuletzt dank neuer Erkenntnisse über die Entwicklung der Krankheit und der notwendigen Begleitung, sind die Unterbringung und der Tagesablauf der Patienten neu organisiert worden. Diese Maßnahmen haben sich als sehr effizient beim Umgang mit der Demenzerkrankung erwiesen. Auch unsere Assoziationen in Frankreich und Großbritannien verzeichnen inzwischen beachtliche Erfolge durch die neuen Behandlungsmethoden.

(Staatsbesuche und offizielle Besuche )

Über unser diplomatisches Netzwerk sind wir in der Lage, in völliger Unparteilichkeit und Neutralität humanitäre Hilfe zu leisten und im Geiste dieser Unabhängigkeit habe ich 2010 Staatsoberhäupter und Regierungschefs begegnet.

Wir hatten die Freude die Präsidenten der Dominikanischen Republik, von Kroatien, und den Seychellen zu empfangen sowie den Premierminister von Bulgarien, die Außenminister von Paraguay und Lettland, den französischen Gesundheitsminister, den tschechischen Parlamentspräsidenten, den Generaldirektor der UNESCO und den kanadischen Senatspräsidenten, dem ich meinen besonderen Dank für die Einladung des kanadischen Senats zu den Feierlichkeiten anlässlich des hundertjährigen Bestehens der kanadischen Marine in Anwesenheit Ihrer Majestät Königin Elisabeth II. aussprechen möchte.

Besonders geehrt waren wir durch den Besuch des Präsidenten der europäischen Kommission, S. Exz. José Manuel Barroso, an dessen Empfang viele von Ihnen teilgenommen haben. Die europäische Kommission und der Malteserorden entwickeln gemeinsam humanitäre Projekte in der Demokratischen Republik des Kongo, in Thailand, Kambodscha, und Myanmar/Birma. Wir arbeiten gemeinsam an neuen Programmen im Mittleren Osten, wo der Erhalt der kulturellen und religiösen Vielfalt in Gefahr ist, um den Menschen dort die Möglichkeit zum Verbleib zu geben und um einen Beitrag zur Stabilisierung der Region zu leisten.

Ich darf auch den kürzlich erfolgten sehr erfreulichen Besuch in Portugal erwähnen, wo unsere alten Bindungen im Rahmen von interessanten Gesprächen mit S. Exz. dem Präsidenten Anibal Cavaco Silva und höchsten Vertretern von Kirche und Staat bestärkt wurden. Es hat mich sehr gefreut bei dieser Gelegenheit mit den Botschaftern der Gemeinschaft Portugiesisch sprechender Länder zusammenzutreffen, mit der ein Kooperationsabkommen geschlossen worden ist.

Nicht unerwähnt soll die freundliche private Unterredung bleiben, die ich vor Weihnachten mit dem österreichischen Präsidenten, S. Exz. Dr. Heinz Fischer, und seinen Räten in der Wiener Hofburg hatte.

(Kooperationsabkommen)

Zur Stärkung der gegenseitigen Zusammenarbeit in den einzelnen Ländern, haben wir verschiedene Kooperationsabkommen geschlossen. Besonders freut uns in diesem Zusammenhang das mit der ungarischen Regierung geschlossene und im vergangenen November vom ungarischen Parlament ratifizierte Abkommen, durch das die Leistungen, die die nationale Organisation des Ordens in den vergangenen zwei Jahrzehnten für die ungarische Bevölkerung erbracht hat, weiter ausgebaut werden können.

Das zwischen dem italienischen Hilfskorps des Malteserordens – CISOM – und dem Zivilschutz der russischen Föderation – EMERCOM – geschlossene Abkommen sieht die Entwicklung von Kooperationsabkommen, die Koordinierung von Notfallplänen, die Einsatzorganisation von freiwilligen Helfern sowie bilaterale Fortbildungsveranstaltungen vor.

Weitere Kooperationsabkommen sind mit der Tschechischen Republik und der Gemeinschaft Portugiesisch sprechender Länder unterzeichnet worden, die die Länder Portugal, Brasilien, Angola, Kap Verden, Guinea-Bissau, Mosambik, Sao Tomé und Ost- Timor umfasst.

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Ich möchte meine volle Unterstützung der Erklärung des Heiligen Vaters und der gesamten internationalen Gemeinschaft zur neuen Welle der Gewalt ausdrücken, die über die Christen in Pakistan, Indonesien, Sudan, Nigeria und in den Philippinen hereingebrochen ist.

Der Heilige Vater hat die Gewalt mit aller Deutlichkeit verurteilt.

Sollen Maroniten, Chaldäer, Melkiten und Kopten verschwinden? Sollen sie nur die Wahl zwischen Exil, Schweigen und Tod haben?

Ganz deutlich müssen wir feststellen, dass sich das Phänomen der Gewalt bedrohlich in der Welt ausbreitet. Sie manifestiert sich nicht mehr nur im Rahmen bewaffneter Konflikte, sondern zunehmend auch unter den verschiedensten Formen von Protestkundgebungen. Sie geht von Gruppen aus ebenso wie von Einzelindividuen, für die der Gewaltakt, der Zerstörungsakt, Mittel ist, um der Welt das Eigensein zu bekunden, eine Existenz, die selber zu gestalten sie nicht in der Lage sind. Dieses Phänomen, die Gewalt, kann eine der großen Herausforderungen unseres Jahrhunderts sein.

Bei den Konflikten, bei denen humanitäre Organisationen tätig werden, sind mehr denn je Zivilisten das Ziel von Terror und kriminellen Vereinigungen.

Hierbei sind die internationalen humanitären Organisationen inzwischen unverzichtbare operative Ansprechpartner, neben den Staaten, den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und sonstigen internationalen Organisationen.

Diese Situation hat den Malteserorden in Frankreich bewogen, am Ende dieses Monats eine internationale Konferenz über die „Humanitäre Diplomatie und die Bewältigung internationaler Krisen“ einzuberufen. Die Konferenz wird am Sitz der UNESCO in Paris stattfinden und sie wird international bekannte Persönlichkeiten aus dem militärischen Bereich und Persönlichkeiten zusammenbringen, die insbesondere mit zivil-humanitären Aufgaben befasst sind. Ziel ist es, diejenigen Prinzipien zu bestimmen, die von den Beteiligten bei den humanitären Operationen vor Ort zu beachten sind und die Ethik bei diesem Engagement zu definieren. Sie alle sind herzlich zu dieser Konferenz eingeladen.

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Sehr geehrte Botschafter und Mitglieder der diplomatischen Missionen, wir sind hoch erfreut, so enge und vertrauensvolle Beziehungen zu Ihren Ländern unterhalten zu können. Wir schätzen die stete persönliche Bereitschaft und Mitwirkung, die Sie so freundschaftlich dem Großmagisterium bei dessen Auftrag entgegenbringen, jenen zu helfen, die sich in Not befinden. Meine besten Wünsche gelten Ihnen und Ihren Familien, und Wohlstand und Frieden den Nationen, die Sie so würdig vertreten.